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  • Autorenbildiris235

Pest oder Cholera?


Diejenigen, die sich bemühen einen umweltbewussten Lebensstil zu führen, wissen, dass dies gar nicht so leicht ist, wie man meinen könnte, und ich schätze es ist vielen schon ähnlich ergangen wie mir. Ich zumindest stehe regelmäßig im Supermarkt und frage mich: soll ich mich lieber für die sprichwörtliche Pest oder die Cholera entscheiden. Gerade bei Obst und Gemüse findet man sich ganz oft in dieser Zwickmühle wieder. Wenn man sich umweltschonend ernähren will, versucht man in der Regel Bioprodukte zu kaufen, am besten regional und saisonal, bevorzugt uneingepackt, aber wenn schon, dann wenigstens in Papier oder ähnlichem organischen Material. Doch was soll man tun, wenn das Bio-Obst in Plastik eingepackt ist, das Nicht-Bio-Obst aber lose erhältlich? (Übrigens sind auch oft in "Biomärkten" die Produkte in Plastik eingepackt, es gibt wohl kaum etwas Unkonsequenteres!) Soll man in diesem Fall lieber die Vermüllung der Welt durch Plastik unterstützen oder doch lieber die Zerstörung von Boden und Wasser sowie die Tötung von diversen Insekten und Pflanzen durch die eingesetzten Pestizide der herkömmlichen Anbauweise? Ich persönlich habe keine Ahnung, was hier die "bessere" Alternative ist, da ich kaum die Tragweite der beiden Probleme gänzlich abschätzen kann, versuche aber in der Regel immer den Plastikmüll zu vermeiden, das erscheint mir subjektiv wichtiger. Aber das muss jeder für sich entscheiden.

Nichtsdestotrotz bin ich der Ansicht, dass dies eine Wahl ist, vor die kein Konsument gestellt werden dürfte. Erstens haben die meisten Käufer nicht das Hintergrundwissen, um überhaupt eine derartige Entscheidung auch nur ansatzweise treffen zu können, zweitens, wenn sie über das Wissen verfügen, stecken sie erst recht in einem Dilemma, und drittens, ist es den meisten, ob Wissen vorhanden oder nicht, schlichtweg egal (viele packen auch in Bio-Supermärkten alles Obst und Gemüse noch zusätzlich in Plastiktütchen). Wo also, frage ich mich, ist hier die regulierende Staatsgewalt, wenn man sie einmal braucht? Sonst mischt sie sich - zumindest gefühlt - doch auch in nahezu alles ein, auch wenn man es gar nicht möchte, und erstaunlicherweise wird es i.d.R. ohne Murren hingenommmen. Wieso nimmt sie also nicht auch im Bereich von Lebensmitteln und anderen Konsumgüter dem Endverbraucher einige Entscheidungen ab? Immer wenn ich diesen Vorschlag in einer Diskussion bringe, bekomme ich als Antwort, dass aber dann doch die individuelle Freiheit des Konsumenten beschnitten wird, das sei eine "Vorschreibung", wie man sein Leben zu führen hätte, blablabla ... Ich kann es kaum noch hören und muss da schon fragen, was für einem Freiheitsbegriff derjenige hinterherläuft, wenn es für ihn eine Beschneidung derselben bedeutet, wenn im Supermarkt keine Plastikobsttütchen mehr aushängen bzw. die Nahrungsmittel nur noch unverpackt verkauft werden? Weil er dann gezwungen ist selbst eine Tragetasche bzw. Transportutensilien mitzunehmen? Ich kann dieses Argument nicht nachvollziehen.

Überdies, sollte nicht das Wohl der Gemeinschaft (das ja bekanntlich letzten Endes vom Zustand unseres Planeten abhängt) vor der eigenen individuellen Bequemlichkeit kommen? Das heißt keineswegs, dass jeder von nun ab schlechter leben muss, um dem Gemeinwohl zu dienen. Aber einen kleinen Teil unserer heutigen Bequemlichkeit für das Wohl des Planeten zu "opfern", ist meines Erachtens nicht zu viel verlangt. (Mal ganz davon abgesehen, dass manche Bequemlichkeitseinbuße vielen Menschen mehr als gut tun würde.)

Wenn sich also die Politik/der Staat schon regulierend in das Alltagsleben der Bevölkerung einmischen muss, dann doch bitte in wirklich sinnvolle Dinge, deren Lösung das Vermögen des Einzelnen übersteigt. Als (normaler) Endverbraucher ist man letztendlich angesichts der Komplexität der Themen schlicht und einfach überfordert, wenn man ein umfassend umweltbewusstes Leben führen möchte. Ohne einige Regulierungen staatlicherseits ist eine Verbesserung gerade im Hinblick auf die Lebensmittelbranche kaum zu erreichen. Zumal es den meisten Konsumenten, meiner Beobachtung nach, völlig gleichgültig ist, welche Folgen ihr Einkaufs/-Lebensstil hat. Dies macht eine Einmischung von oben daher sogar (leider) unumgänglich.

Im Endeffekt ist es eigentlich nichts anderes als ein "Entweder-Oder": wenn man nicht freiwillig bereit ist, sich selbst der Umwelt zuliebe zu ändern, muss es eben vorgerschrieben werden. Wer das nicht möchte, der hat jederzeit die Möglichkeit, seinen bequemen Lebensstil zu ändern. So frei ist glücklicherweise jeder.

Ich frage mich wirklich, was ist es denn wert seine eigene Freiheit einzuschränken, wenn nicht der wunderschöne Planet auf dem wir leben? Für so vieles opfern wir große Teile unserer individuellen Freiheit, ob für Geld, Prestige, Sicherheit, Liebe, usf. Weshalb dann nicht für die Erde, Tiere und Mitmenschen??


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