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  • Autorenbildiris235

Altes Wissen im modernen Alltag


Zurzeit beschäftige ich mich viel mit der Herstellung von alternativen bzw. pflanzlichen Haushaltshilfen und Kosmetikprodukten, meist anhand von alten Rezepturen. Gerade in diesem Sektor kommen in der kommerziellen Produktion äußerst viel Plastik (v.a. Mikroplastik) und viele andere chemische Schadstoffe zum Einsatz. Möchte man diese daher vermeiden, gibt es eigentlich nur zwei Alternativen: entweder man kauft biologische Ersatzprodukte in Reformhäusern o.ä., die dann aber ein riesiges Loch in den Geldbeutel graben, oder man stellt sie selbst her. (Die Zutaten mögen hier zwar auch teilweise teuer sein, allerdings sind sie in der Regel viel ergiebiger und man zahlt vergleichsweise immer noch deutlich weniger als für Fertigprodukte auf Bioniveau.)

Da ich Dinge am liebsten selbst mache, entscheide ich mich meist für die zweite Variante (und ehrlich gesagt, empfinde ich die astronomischen Preise für biologische Mittel in den meisten Fällen nicht gerechtfertigt). Welchen Schwierigkeiten sieht man sich aber in diesem Fall gegenüber? Zum einen ist da der zeitliche Aspekt. Es ist unglaublich aufwendig, möchte man sich (neben Lebensmitteln) auch im Putzmittel-/Kosmetik-/Heilmittelbereich „selbstversorgen“. Einzeln betrachtet ist die eigene Herstellung von jeglichen Mitteln, sobald man die Zutaten hat, in der Regel eigentlich nicht sehr schwierig oder übermäßig zeitintensiv. Doch zusammengenommen häuft sich hier eine wirklich beträchtliche Summe an Stunden an. Nutzt man, wie ich, dafür auch noch so wenig elektrische Geräte wie möglich, braucht man wirklich keinen anderen Job mehr. Kürzlich habe ich in einer Zeitschrift gelesen, dass eine Hausfrau um die Jahrhundertwende (also 1900) ca. 60 Stunden in der Woche allein für die alltäglich anfallenden Haushaltsarbeiten brauchte. (Wie haben die Frauen das damals nur geschafft?!) Heutzutage sind es bei Verwendung von allen geläufigen Elektrogeräten und Haushaltshelfern nur noch rund 15 Stunden (und wir beklagen uns darüber!). Dies bedeutet: Wenn man einem normalen 40-Stunden-Job nachgeht, ist es schlichtweg unmöglich, umweltfreundlich zu leben. Das klingt krass, aber es ändert nichts an der Tatsache, dass es so ist. Hier schließt sich der Kreis zu der bereits in einem anderen Eintrag beschriebenen Thematik, dass unser aktuelles Gesellschaftssystem nicht mit einem effektiven Umweltschutz vereinbar ist.

Warum die Herstellung von natürlichen Mitteln so zeitaufwendig ist, liegt darüber hinaus auch daran, dass die Haltbarkeit von selbstgemachten, frischen Produkten meist nicht so lange ist, aufgrund von fehlenden Stabilisatoren und Konservierungsstoffen. Man muss also vieles regelmäßig neu machen bzw. bei jeder Anwendung frisch zubereiten. Das, muss ich ehrlich zugeben, ist für mich oft auch ein Grund dann doch im Laden nach dem fertigen Waschpulver oder Shampoo zu greifen. Hier liegt für mich nebenbei der eigentliche Luxus unseres modernen Lebens, dass man im Notfall eben doch schnell mal im Laden die Sachen besorgt, anstatt sie selbst herstellen zu müssen wie es früher der Fall war, als man gar keine andere Möglichkeit hatte.

Mit dem kontinuierlichen Anstieg an „convenience goods“ und der ständigen Verfügbarkeit aller erdenklichen Produkte geriet das Wissen, wie man ohne all diese „Vorzüge“ lebt, in Vergessenheit. Glücklicherweise wird dieses aktuell wieder versucht aus seiner Versenkung zu holen. Das Bewusstsein, dass manch alte Methoden im Vergleich zu den heutigen Bequemlichkeitsprodukten doch gar nicht so schlecht waren, steigt also wieder an. Doch ist es unwahrscheinlich viel Arbeit sich all dieses Wissen selbst anzueignen. Aber genau dies muss man tun. Denn weder in der Schule noch von den Eltern, die dieses Wissen meist selbst schon nicht mehr gelehrt bekamen, wird einem dieses nähergebracht. Wer sich also um ein umweltbewusstes Leben nach alten Vorbildern bemüht, der ist zur Autodidaktik gezwungen. Gerade wenn es sich um nützliche Kräuter und Pflanzen zur Verwendung in Haus, Küche und Bad handelt, sind die erforderlichen Kenntnisse derart umfangreich, dass man einen eigenen Studiengang daraus generieren könnte.

Es ist also kein Wunder, dass so wenige Menschen sich mit der eigenen Herstellung von Haushaltsprodukten befassen. Selbst wenn das Interesse daran vorhanden ist, fällt es einem oft schwer dies tatsächlich zu verfolgen (hier spricht die eigene Erfahrung😉), zu leicht ist die Versuchung sich die Arbeit zu sparen, nur schnell zum Supermarkt zu gehen und sich seine Freizeit mit spaßigeren Dingen zu vertreiben. Manchmal der Versuchung beizugeben, ist dabei vollkommen in Ordnung – wie gesagt, mache ich auch oft genug – doch sollte man lernen, im Großen und Ganzen, seinen inneren „Schweinehund“ zu überwinden und daran zu denken, welche Konsequenzen der bequeme Lebensstil nach sich zieht. Zumal es wirklich Spaß macht seine eigenen Kosmetikprodukte, Putzmittel, Kräutertinkturen etc. herzustellen. Ja, ehrlich!😉 Mal ganz davon abgesehen, dass sie auch für die eigene Gesundheit bedeutend besser sind als gekaufte.

Dass man also zum Beispiel Kastanien als Waschmittel nutzt, hauptsächlich mit Essigreiniger putzt, zumindest Haarseife statt Shampoo nimmt, Magenbitter aus Kräutern selbst mixt, Peelings aus Lebensmitteln/-resten wie Kaffeesatz herstellt usf. sind alles Dinge, die relativ leicht umzusetzen sind und bereits einen spürbaren Unterschied ausmachen, verglichen zur Verwendung kommerzieller Produkte.

Ja gut, mag sein, dass man nicht komplett alles selbst herstellen kann (sei es aus Mangel an Zeit oder schlichtweg mangelndem Enthusiasmus), das ist klar, aber man kann sich beispielsweise vornehmen, die fünf wichtigsten Haushaltsmittel von nun an selbst zu machen. Bücher mir Anleitungen und Rezepten gibt es mittlerweile fast wie Sand am Meer, insofern sollte die Umsetzung eigentlich nicht allzu schwer sein. Wieso also nicht einfach mal ausprobieren?


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